GrowUnit: Indoor-Gewächshaus für Microgreens
Dr. Sebastian Kipp studierte Agrarwissenschaften in Bonn und promovierte danach an der TU München. Seit 2017 ist er bei Klasmann-Deilmann – einem Hersteller u. a. von Substraten für den Produktionsgartenbau – für den Bereich „Product Development Market Support“ zuständig. Hier beschäftigen ihn die Aufgabenfelder Forschung und Entwicklung, technische Kundenbetreuung, Qualitätsmanagement und Innovation. tec.news sprach mit ihm über die gemeinsame Kooperation zum Indoor-Gewächshaus „GrowUnit“, dessen Einsatz im Lebensmitteleinzelhandel und in der Gastronomie geplant ist.
tec.news: Wie kam es zur Zusammenarbeit mit HARTING?
Dr. S. Kipp: Prof. Andreas Ulbrich von der FH Osnabrück, der dort an der Fakultät für Agrarwissenschaften und Landschaftsbau lehrt und sich intensiv mit Vertical Farming beschäftigt, hat den Kontakt zwischen HARTING und Klasmann-Deilmann hergestellt. So war es möglich, dass HARTING Systems mit technischer Expertise und unserem Know-how über das Wachstum und die Bedürfnisse einer Pflanze ein entsprechendes, automatisiertes Indoor-Gewächshaus konstruiert hat.
tec.news: Was war dabei Ihre konkrete Aufgabe?
Dr. S. Kipp: Wir haben ein Kultursubstrat bzw. ein Nährmedium entwickelt, auf dem die Pflanze wächst – ein Hanf-Pad mit den Maßen 9 x 9 cm, auf das wir das Saatgut für die einzelnen Microgreens kleben. Darüber hinaus haben wir HARTING mit den konkreten Anforderungen versorgt, die Automatisierung der Software und Bedienelemente so zu gestalten, dass alle pflanzenkulturtechnischen Voraussetzungen für ein optimales eigenständiges Wachstum möglich sind.
tec.news: Wie unterscheidet sich die GrowUnit zu anderen Konzepten, die im Lebensmittelhandel zu finden sind?
Dr. S. Kipp: Der große Unterschied liegt darin, dass wir ein automatisiertes Gewächshaus bereitstellen, in dem die Pflanzen vor Ort auf Basis des Saatguts aufgezogen werden. Andere Mitbewerber verfolgen das Geschäftsmodell, die Schränke mit bereits in Töpfen herangezogenen größeren Pflanzen zu bestücken und damit als Betreiber zu operieren.
Bei unserem gemeinsamen Geschäftsmodell ist der Lebensmittelmarkt selbst der Betreiber des Geräts. Durch die Konstruktion und Programmierung der GrowUnit ist nur geringer Wartungsaufwand notwendig. Ein weiterer Unterschied zu bereits im Handel befindlichen ähnlichen Angeboten ist die Art der Pflanzen. Wir bringen kein neues Basilikum an den Start, sondern lassen Microgreens wachsen, die sehr gesund sind und bis zu 50 neue Geschmackskomponenten auf den Tisch bringen – ein echtes Superfood.
tec.news: Unsere aktuelle Ausgabe thematisiert verschiedene Ausprägungen des „Smart Farmings“. Wie grenzen Sie sich an dieser Stelle ab?
Dr. S. Kipp: Prinzipiell kann man als erstes feststellen: Mit der GrowUnit braucht man keinen „grünen Daumen“, um die Pflanze zum Ertrag zu bringen. Die Aufzucht basiert auf Daten und Algorithmen, Bewässerung und Beleuchtung werden automatisch gesteuert. Diese Parameter spielen zwar auch zu großen Teilen in die Präzisionslandwirtschaft und in das Autonomous Farming mit ein, dennoch liegt ein weiterer großer Unterschied zur GrowUnit natürlich allein in der Fläche. Unser Indoor-Gewächshaus verfügt über fünf verschiedene, übereinander liegende Ebenen, die mit unterschiedlichem Saatgut bestückt werden und sich individuell ansteuern lassen. Pflanzenschutzmittel kommen nicht zum Einsatz.
tec.news: Was sind Ihre weiteren Ziele für die GrowUnit?
Dr. S. Kipp: Zunächst lief unser Indoor-Gewächshaus im Testbetrieb in einem Supermarkt in Dortmund. Seit Ende September haben wir weitere Märkte hinzugezogen und auch erste Probeläufe in der Gastronomie vorgenommen.
Der Projektname „GrowUnit“ steht für ein Indoor-Gewächshaus für Microgreens, das seinen Platz in der Obst- und Gemüseabteilung von Supermärkten oder in der Gastronomie findet.
Microgreens, Nutzpflanzen im Keimstadium, werden zunächst in diesem Gewächshaus ausgesät. Hierfür stehen Saatgutmatten zur Verfügung, die dann in die entnehmbaren Trays der GrowUnit eingelegt werden. Die kleinen Pflanzen sind sogenannte Dunkelkeimer, weswegen sie für die ersten Tage durch eine Abdeckung abgedunkelt werden. Im Anschluss wählt der Bedienende in der Software aus, um welche Sorte es sich handelt – und das Wachstumsprogramm beginnt. Nach ca. zwei Tagen wird die Abdeckung manuell abgenommen und die Microgreens wachsen im Hellen weiter. Die Software des kleinen Gewächshauses steuert automatisch die Bewässerung, Beleuchtung und Belüftung für ein optimales Pflanzenwachstum. Je nach Sorte sind die Microgreens nach ca. 6 bis 12 Tagen erntereif. Auch der Erntezeitpunkt der jeweiligen Sorte wird in der Software angezeigt. Einmal auf „Ernten“ gedrückt, können die Pflanzen entnommen werden und das kleine Gewächshaus ist bereit für die nächste Aussaat. Bis zu 300 Microgreens lassen sich zeitgleich auf nur 1,1 m2 Grundfläche züchten. Die nährstoffreichen Nutzpflanzen sind als geschmackvolles Topping für Salate, Steaks oder Fisch gedacht.