„Nachmachen ist gewünscht!“
Klimaschutz-Unternehmen e.V. begann vor knapp 15 Jahren als gefördertes Projekt des Bundesumwelt- und Bundeswirtschaftsministeriums. Nach Beendigung der Förderung führten die Mitgliedsunternehmen das Projekt selbständig fort. Die HARTING Technologiegruppe, seit 2011 dabei, ist eins der ersten Mitglieder.
Der branchenübergreifende Zusammenschluss von Unternehmen aller Größen in Deutschland nimmt eine Vorreiterrolle bei Klimaschutz und Energieeffizienz ein. Die Unternehmen verpflichten sich zu messbaren Zielen, kontinuierlicher Verbesserung und dem Zeigen von Verantwortung für die Lebensgrundlagen zukünftiger Generationen. Der Verein sieht sich als Vorbild und Multiplikator in der deutschen Wirtschaft.
tec.news: Herr Andree, welche Aufgaben haben Sie sich als Verband gesetzt?
P. Andree: Unser Ansatz ist, Leuchtturm-Unternehmen ausfindig zu machen, die für Klimaschutz und Nachhaltigkeit stehen – in Deutschland, aber auch auf globaler Ebene. Wir identifizieren diese Vorreiterbetriebe, zeichnen sie – im Namen der Bundesregierung aus – und zeigen auf, was sie können. Nachmachen, wie es andere tun, ist gewünscht.
tec.news: Welche Trends in Bezug auf den Klimaschutz sehen Sie aktuell?
P. Andree: Da gibt es einige. Dabei spielt es eine große Rolle, dass zum einen Klimaschutz in der Gesellschaft angekommen ist und zum anderen viele Unternehmen ihre eigenen Klimastrategien entwickeln. Gleichzeitig sehe ich den Trend, dass nachhaltiges Handeln im Unternehmertum immer stärker verankert ist. Wichtig dabei ist die Tatsache, dass auch zunehmend Investoren auf Klimaschutz- und Nachhaltigkeitsaspekte achten. Es muss das Ziel sein, dass Klimaschutz noch wirtschaftlicher wird. Im Bereich der Automatisierung sehe ich weiterhin viele Optimierungen durch Digitalisierungsmaßnahmen und auch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz.
tec.news: Was sind Ihrer Meinung nach die größten Herausforderungen beziehungsweise Hindernisse?
P. Andree: Unternehmen, für die die Kategorien Scope 1 und Scope 2 bereits ausgeschöpft sind, widmen sich mit Scope 3* der herausforderndsten Identifizierung bzw. Bilanzierung: Sie versuchen, im Hinblick auf Emissionen die Rollen von Produkt, Kunde und Zulieferer zu definieren. Das ist bei Vielen derzeit im Fokus und auch gleichzeitig der größte Knackpunkt. Weitere Fragen, denen sich die Unternehmen stellen müssen, sind: Wie gehen wir mit dem Thema Wärmewende um? Wie lässt sich Prozesswärme besser nutzen? In welchem Verhältnis liegen Investitionskosten, neue Anlagen und Abschreibungen? Und wie lassen sich die nicht mehr wirtschaftlichen Blockheizkraftwerke ersetzen? Abseits davon spielen immer komplexer werdende Regularien und Konformität eine große Rolle. Dies betrifft beispielsweise die Planungs- und Genehmigungsverfahren für neue Anlagen, aber auch Bestandsanlagen im Windbereich.
*Scope 1, Scope 2 und Scope 3 ist die Kategorisierung der von Unternehmen verursachten und beeinflussten CO2-Emissionen:
- Scope 1: Direkte Emissionen aus eigenen oder kontrollierten Quellen, z.B. aus Verbrennungsprozessen oder Fahrzeugen.
- Scope 2: indirekte Emissionen aus der Erzeugung von zugekauftem Strom, Dampf, Wärme und Kälte, die vom Unternehmen verbraucht werden.
- Scope 3: indirekte Emissionen aus der Wertschöpfungskette des Unternehmens, z.B. aus Rohstoffgewinnung, Transport, Verpackung oder Entsorgung.
tec.news: Geht die aktuelle Entwicklung eher in die Identifikation des Product Carbon Footprints (PCF) oder des Corporate Carbon Footprints (CCF)?
P. Andree: Viele Klimaschutz-Unternehmen fokussieren sich aktuell auf das Thema PCF, da sie beim CCF schon recht weit sind. Einige widmen sich parallel dem Thema „digitaler Produktpass“, andere verfolgen digitale Ansätze mit Blockchain-Technologien. Im Zusammenhang mit dem CCF steht auch oftmals eine stärkere Regulierung aus Brüssel – die EU Green Claims, die EU-Taxonomie oder auch der Zertifikatehandel, der auf die Bereiche Wärme und Verkehr ausgedehnt wird.
tec.news: Welche Quick Wins gibt es? Was kann jedes Unternehmen umgehend für den Klimaschutz tun?
P. Andree: Es gibt einige Maßnahmen, mit denen sich ein erster Beitrag zum Klimaschutz leisten lässt und die unmittelbar vorgenommen werden können. Beispielsweise eine Photovoltaik-Anlage auf dem Dach oder etwa verschiedene Vorgehensweisen zur Wärmerückgewinnung. Auch durch Elektrifizierung lässt sich viel erreichen. Denn durch Strom auf der Basis eines PPA (Power Purchase Agreement, einem Abnahmevertrag für Grünstrom) entstehen keine Treibhausgase. Im Grunde sind schon viele Basics machbar, wenn man erst einmal schaut, wie die Systeme zusammenhängen und Kreisläufe funktionieren: Was ist aus der Infrastruktur der Gebäude zu holen? Und wie kann eine ganzheitliche Optimierung, etwa durch LED, Druckluftversorgung, Ausschalten von Maschinen oder Standby-Betrieb – erreicht werden?
tec.news: Vielen Dank für das Gespräch!
Das Product Carbon Footprint Tool von Heinz-Glas
Mit Hilfe eines eigens entwickelten „Product Carbon Footprint (PCF) Tool“ kann das Klimaschutz-Unternehmen Heinz-Glas Group seit diesem Jahr die Treibhausgasemissionen seiner Glasprodukte grammgenau vorhersagen und damit weitere Fortschritte beim betrieblichen Klimaschutz erzielen. Das Tool ermittelt nicht nur, wie viel Energie direkt bei der Herstellung oder beim Transport verbraucht wird. Es erfasst auch alle Emissionen der gesamten Wertschöpfungskette, z. B. ob Mitarbeiter mit dem Bus oder dem Auto zur Arbeit kommen. Für Kunden ein weiterer Anreiz, sich für das nachhaltige Produkt des oberfränkischen Glasproduzenten zu entscheiden. Insgesamt dauerte die Entwicklung des PCF Tools drei Jahre, es wurde vom TÜV-Süd mit ISO-Normen verifiziert.