Die Perspektive von Lam Research
Die Zukunft des maschinellen Lernens
Dr. Richard A. Gottscho, Executive Vice President und Chief Technology Officer von Lam Research schilderte dem tec.news-Team seine Sichtweise des Stellenwerts der Künstlichen Intelligenz (KI) und des Maschinellen Lernens (ML).
Das 1980 gegründete Unternehmen Lam Research ist ein weltweit führender Anbieter von innovativen Wafer-Produktionsanlagen und Dienstleistungen für die Halbleiterindustrie. Die Technologie- und Produktivitätslösungen des Unternehmens haben dazu beigetragen, dass die Leistungsfähigkeit integrierter Schaltkreise bei geringeren Kosten gesteigert und die Zahl der Transistoren auf einem Chip von 130.000 zu Beginn der 1980er Jahre auf heute über 1 Milliarde erhöht werden konnte.
Wie viele andere Unternehmen nutzt auch Lam künstliche Intelligenz (KI) und maschinelles Lernen (ML) auf Produktebene, damit seine Kunden von niedrigeren Gesamtbetriebskosten, einem geringeren Energieverbrauch und höheren Erträgen profitieren können. Darüber hinaus setzt Lam KI und maschinelles Lernen auch in einer Vielzahl von Anwendungen im eigenen Betrieb ein, z. B. für eine leistungsstärkere Chipherstellung mit dem Ziel, eine höherwertigere und konsistentere Waferproduktion in ganzen Maschinenparks zu erreichen.
Diese Ziele lassen sich nur durch eine effiziente Nutzung von Daten erreichen. Derzeit erfasst der Halbleiterhersteller Rohdaten von einzelnen Anlagen. Lam möchte in Zukunft bereinigte Daten – einschließlich Filterung und Zeitsequenzierung – bereitstellen, die direkt verwendet werden können. Denn so können die Kunden ihre Maschinenparks über alle Anlagen hinweg optimal verwalten.
In den einzelnen Anlagen befinden sich Fertigungskammern, die über eingebettete Steuerungen verfügen, um präzisere und wiederholbare Ergebnisse zu erzielen, Fehler zu erkennen und – unabhängig von den Schwankungen des eingehenden Materials – ein adaptives Feedback für eine superpräzise Wiederholbarkeit zu erhalten. Indem diese Daten außerhalb der einzelnen Chip-Fertigungsmaschine verfügbar gemacht werden, können KI- und ML-Algorithmen große Datenpools analysieren und Erkenntnisse gewinnen, die zu einer besseren Leistung, zu einer optimalen Anlagenfunktion, zur Erkennung von Anomalien und zur Vermeidung von Anlagenausfällen und ungeplanten Ausfallzeiten beitragen.
ANWENDUNGSFÄLLE FÜR AI UND ML IN DER HALBLEITERPRODUKTION
.Abweichungen in der Chip-Fertigungseinheit können durch viele Faktoren verursacht werden, z. B. die Temperaturregelung der Kammeroberflächen, die Geschwindigkeit, mit der das RF-Netzwerk Feinabstimmungen vornimmt, oder die Temperaturregelung des Wafers. Die Ursache für Parameterunterschiede zwischen den Kammern kann durch eine genaue Analyse der Daten aus den Anlagen selbst ermittelt werden.
Die Erkennung von Defekten ist ein weiterer wichtiger Anwendungsfall. Bei der Herstellung von Bauteilen in Nanogröße ist die Fehler-Toleranz praktisch gleich Null. Der Einsatz von KI und ML kann dazu beitragen, frühzeitig Bedingungen zu erkennen, die zu Defekten führen, und so die Produktionsleistung zu erhöhen.
DIE RICHTIGE STRUKTUR IST ENTSCHEIDEND
Die Implementierung von KI und ML erfordert die Zusammenarbeit zweier unterschiedlicher Fachbereiche: Data Scientists und Fachexperten. Deshalb beschäftigt Lam ein Team von eigenen Datenwissenschaftlern, die bei der Entwicklung von Anlagen eng mit den Ingenieuren zusammenarbeiten. Mit diesem Know-how im eigenen Haus kann Lam seinen Kunden, die ihre Maschinen sonst manuell miteinander verbinden müssten, ein nahtloses Zusammenspiel anbieten. Zudem werden externe Berater hinzugezogen, die neue Ideen und Techniken einbringen. Diese Kombination gewährleistet, dass Lam immer auf dem neuesten Stand von KI und ML ist.
Die Kombination aus internen Datenwissenschaftlern und externen Beratern stellt sicher, dass Lam immer auf dem neuesten Stand der KI und ML ist.
KI UND ML: ELEMENTARE BAUSTEINE FÜR INDUSTRIE 4.0
Gottscho ist bei Lam für die Begleitung der Transformation hin zu Industrie 4.0 verantwortlich und er beobachtet, dass derzeit fast in allen Unternehmen digitale Transformationsstrategien umgesetzt werden. Die Ziele: die Produktivität zu steigern, die Durchlaufzeiten zu verkürzen und die Transparenz in allen Aspekten des Produktionsprozesses zu verbessern. Gottscho sieht die größte Herausforderung darin, systematische Anlagenüberholungen in einem etablierten Unternehmen umzusetzen, aber er bezeichnet dies auch als ein Problem, dem praktisch alle Ingenieure gegenüberstehen: „Wir müssen unseren Motor neu konstruieren, während er im Einsatz ist.“
Eine weitere zentrale Herausforderung ist die Verfügbarkeit von genügend Fachleuten und der Mangel an Datenwissenschaftlern – und das bremst seiner Meinung nach den weltweiten Fortschritt ab.
„Das Problem ist nicht das Geld, sondern das Personal, denn man kann diese Experten nicht über Nacht heranbilden. Das zwingt einen dazu, sehr wählerisch bei der Entscheidung zu sein, was man als erstes, zweites und drittes tut. Der industrielle Wandel vollzieht sich nicht über Nacht.“
LAM RESEARCH & HARTING
Gemeinsam arbeiten Lam und HARTING an neuen Wegen zur Verbesserung der Halbleiterproduktion. Gottscho ist überzeugt, dass das Konzept von HARTING – Spannung, Strom, Phase und den gesamten Stromverbrauch von Geräten in Echtzeit mit in Steckverbindern integrierten Sensoren zu messen – großes Potenzial hat, die Herausforderung der Überwachung einer großen Anzahl von Signalen von Fertigungsanlagen in Echtzeit zu bewältigen und fortschrittliche KI- und ML-Anwendungen zu unterstützen. Der Ansatz wäre relativ einfach umzusetzen und im Vergleich zu anderen Sensormethoden äußerst kostengünstig.
Die Informationsverarbeitung in Echtzeit bietet im Vergleich zur heutigen Lösung, die auf einem Elektronenmikroskop basiert, dessen Verarbeitung mehrere Stunden dauert und Tausende von Dollar kostet, erhebliche Vorteile. Gottscho hält integrierte Sensoren in Steckverbindern für Halbleitergeräte für ebenso wichtig wie für autonom fahrende Autos, da sie Informationen in Echtzeit liefern, die für die Entscheidungsfindung wichtig sind.
Der Ansatz unterstützt auch die Selbstverpflichtung von Lam, bis 2050 keine Kohlenstoffemissionen mehr zu verursachen. Das hat das Unternehmen Anfang dieses Jahres angekündigt. Der erste Schritt für die Entwicklung energieeffizienter Anlagen besteht darin, den Energieverbrauch in den einzelnen Elementen zu kennen. Und der beste Weg, dies zu erfahren, ist die Verwendung integrierter Sensoren,die wichtige Betriebsdaten und Informationen erfassen,die den industriellen Wandel ermöglichen.